Leseprobe

 

LEER IST DAS VOGELHAUS

 

Drehbuch von Philipp Koblmiller (nach der Kurzgeschichte von Patricia Highsmith)

 

            AUSSEN - HINTER DEM HAUS - TAG

 

            Die Terrasse eines Reihenhauses im Januar. Zum Garten hin

            hängt ein großes Vogelhaus an einem Holzpflock. Der Garten

            ist winterlich kahl, auf dem Rasen liegt viel Laub, das man

            mal auflesen müßte. Aus der Terrassentür tritt eine schmale

            Frau Anfang 30. Sie wirkt ein wenig blaß, auch wenn sie das

            durch ein gestyltes Äußeres zu verstecken versucht. Sie

            stellt sich auf die Terrasse dicht an die Hauswand und zündet

            eine Zigarette an. Sie ist HANNA STEINER. Sie blickt über den

            Garten und zieht angestrengt an der Zigarette.

 

            Aus dem angrenzenden Grundstück schleicht eine Katze in den

            Garten. Hanna beobachtet, wie sie sich dem Vogelhaus nähert.

            Als die Katze den Pflock erreicht hat und nach oben lauert,

            will Hanna sie verscheuchen.

 

                                HANNA STEINER

                      Kscht!

 

            Die Katze läßt sich nicht beeindrucken.

 

                                HANNA STEINER

                      Kscht! KSCHT!

 

            Die Katze blickt kurz zu ihr, beginnt dann aber, die Pfote

            nach oben zum Vogelhaus zu strecken. Hanna nimmt einen

            kleinen Stein vom Boden und wirft ihn nach der Katze. Diese

            zuckt zusammen und läuft davon.

 

            Hanna schaut ihr nach und will gerade ihre Zigarette

            ausdrücken, als sie gerufen wird.

 

                                NACHBARIN

                      Hallo? Frau Steiner?

 

            Hanna schaut auf. Im Garten des Grundstücks nebenan, aus dem

            die Katze gekommen ist, steht eine etwas ältere Frau, die

            NACHBARIN. In der Hand hat sie ein kleines Futterschälchen.

            Hanna nickt ihr zu.

 

                                NACHBARIN

                      Geht's wieder besser?

                      Man kriegt sie ja gar nicht mehr zu

                      sehen.

 

                                HANNA STEINER

                      Ja danke.

 

            Sie schauen sich an. Hanna hat wohl keine Lust auf ein

            Gespräch, und die Nachbarin bemerkt das netterweise.

 

                                NACHBARIN

                      Ha, schon recht. Dann bis bald, hoff ich.

                      Und alles... Gute.

                          (schon im Gehen)

                      Haben Sie die Minka gesehen?

 

                                HANNA STEINER

                      Nein.

 

            Hanna steht wie erstarrt da, während die Nachbarin sich

            abwendet, ihre Katze ruft und wieder im Haus verschwindet.

 

                                NACHBARIN (OFF)

                      Minka? Essen ist fertig.

 

            Nach einer Weile löst Hanna sich wieder und drückt ihre

            Zigarette sorgfältig in einem großen Aschenbecher aus. Sie

            will gerade wieder ins Haus gehen, als sie ein Geräusch hört.

 

            Hanna hält inne und dreht sich zurück. Sie blickt sich um,

            doch nirgends ist etwas ungewöhnliches zu sehen. Sie will

            sich wieder abwenden, da ertönt das Geräusch noch einmal. Es

            klingt entfernt wie ein Kinderweinen, ist nur viel kürzer.

 

            Hanna schaut sich um, dann entdeckt sie etwas durch das große

            Flugloch im Vogelhaus. Sie erkennt undeutlich das Gesicht

            eines kleinen Tieres, eigentlich sieht sie nur zwei blaue

            Knopfaugen umrahmt von braunem Fell, die sie mit dämonischer

            Intensität grimmig und grausam anstarren.

 

            Hanna steht überrascht da. Sie geht auf das Vogelhaus zu, da

            gibt das Tier wieder das kurze Klagegeräusch von sich,

            diesmal klingt es jedoch eher bedrohlich. Hanna bleibt

            unbehaglich stehen und starrt auf das Vogelhaus. Dann gibt

            sie sich einen Ruck und geht ins Haus.

 

            Das Tier scheint ihr aus dem Vogelhaus hinterherzustarren.

 

                                                            SCHWARZBLENDE

                                           TITEL:"LEER IST DAS VOGELHAUS"

 

            INNEN - KÜCHE - ABEND

 

            Hanna steht in der Küche und bereitet das Abendessen vor.

            Durch das Fenster schaut sie auf den Garten und beobachtet

            das Vogelhaus. Es steht still und jetzt leer da. Hanna blickt

            auf die Uhr an der Wand, und pünktlich hört man draußen ein

            Auto vorfahren. Eine Tür wird zugeschlagen, kurz darauf hört

            man einen Schlüssel, und die Haustür wird aufgeschlossen.

 

            Jemand kommt herein. Hanna bleibt starr in der Küche stehen

            und lauscht auf die Geräusche.

 

                                DAVID STEINER

                          (ruft)

                      Hallo.

 

            Die Schritte nähern sich und ein Mann kommt in die Küche. Er

            ist ein paar Jahre älter als Hanna, trägt einen schicken

            Anzug unter einem Mantel, und wirkt erschöpft. Er ist Hannas

            Mann, DAVID STEINER. Eine leichte Reserviertheit umgibt ihn.

 

                                DAVID STEINER

                      Hallo.

 

            Sie dreht sich zum ihm, und er begrüßt sie mit einem

            routinierten Kuß auf die Wange.

 

                                HANNA STEINER

                      Mm.

 

                                DAVID STEINER

                          (als echte Frage)

                      Wie geht's Dir?

 

                                HANNA STEINER

                      Gut. - Es gibt gleich Essen.

 

            David schenkt sich ein Glas mit Mineralwasser voll und trinkt

            durstig. Hanna nimmt ein Tablett mit Geschirr und Gläsern und

            will aus der Küche gehen.

 

                                HANNA STEINER

                      In Deinem Vogelhaus sitzt ein Tier.

 

            David schaut überrascht auf.

 

                                DAVID STEINER

                      Tatsächlich?

 

                                HANNA STEINER

                      Vielleicht hab ich mich ja getäuscht.

                      Aber ich möchte trotzdem, daß Du mal

                      nachschaust, ob da was drin ist.

 

                                DAVID STEINER

                      Na gut. Aber jetzt zieh ich mich erst mal

                      um.

 

            INNEN - WOHNZIMMER - NACHT

 

            Hanna und David sitzen am Tisch. Er hat sich etwas Bequemeres

            angezogen. Sie sind schon fertig mit Essen, offensichtlich

            haben sie dabei nicht viel miteinander geredet. David liest

            das Etikett auf der Rückseite einer Weinflasche.

 

                                HANNA STEINER

                      Bist Du fertig?

 

            David lächelt sie kurz an.

 

                                DAVID STEINER

                      Ja. Danke.

 

            Hanna steht auf und beginnt zusammenzuräumen.

 

                                HANNA STEINER

                      Schaust Du dann jetzt nach dem Vogelhaus?

                      Bevor es ganz dunkel wird.

 

                                DAVID STEINER

                      Natürlich.

 

            David faltet seine Serviette zusammen und beobachtet Hanna,

            während sie den Tisch abräumt. Sie scheint seinem Blick

            auszuweichen.

 

            AUSSEN - HINTER DEM HAUS - NACHT

 

            David tritt im Schein des Lichtes aus dem Wohnzimmer an das

            Vogelhaus. Er schaut es genau an und klopft dann dagegen.

            Nichts passiert. Hanna steht mit verschränkten Armen in der

            Terrassentür und schaut ihm zu.

 

                                DAVID STEINER

                      Machst Du mal das Licht an?

 

            Hanna macht das Licht auf der Terrasse an. Es wird heller,

            und David nimmt das Vogelhaus von dem Pflock.

 

            David schüttelt das Vogelhaus, dreht es langsam, bis das Loch

            nach unten zeigt, und schüttelt es noch mal. Ein paar Körner

            fallen heraus.

 

                                DAVID STEINER

                      Nix. Zumindest kein Tier.

 

            David lächelt Hanna breit an.

 

                                DAVID STEINER

                      Ich frag mich, was Du gesehen hast.

                      Vielleicht wird es Zeit, daß Du mal

                      wieder unter Leute gehst.

 

                                HANNA STEINER

                      Nein, ich hab's Dir doch beschrieben.

                          (bestimmt)

                      Es ist ziemlich groß und es hat blaue

                      Augen und einen... irgendwie ernsten

                      Mund.

 

                                DAVID STEINER

                          (muß lachen)

                      Einen ernsten Mund?

 

                                HANNA STEINER

                      Einen angespannten Mund. Es sieht... böse

                      aus.

 

            David steht mit dem Vogelhaus in der Hand da und schaut sie

            leicht spöttisch an.

 

                                DAVID STEINER

                      Aha.

 

            Hanna starrt ihn an, als wolle sie ihm etwas sagen, dann

            reißt sie sich zusammen und geht schnell ins Wohnzimmer.

            David schaut ihr mit hochgezogenen Augenbrauen hinterher.

 

            INNEN - WOHNZIMMER - NACHT

 

            Der Fernseher läuft. Hanna und David sitzen nebeneinander auf

            der Couch, allerdings recht distanziert. Er hat sich

            zurückgelehnt und ein Bein auf den Couchtisch gelegt, sie

            sitzt nach vorne gebeugt und blättert in einer Zeitschrift.

            David hält die Fernbedienung in einer Hand und zappt herum.

            Bei einem Spielfilm bleibt er hängen.

 

                                FRAUENSTIMME (OFF)

                          (aus dem Fernseher)

                      Nein! Ich habe einen Entschluß gefaßt.

                      Ich verlasse Dich! Emma hat mir geholfen,

                      und sie kommt mit mir, sie versteht mich.

 

                                MÄNNERSTIMME (OFF)

                          (aus dem Fernseher)

                      Emma kann Dich gar nicht verstehen.

 

                                FRAUENSTIMME (OFF)

                          (aus dem Fernseher)

                      Oh doch, sie versteht mich, sie versteht

                      mich tausendmal mehr als Du.

 

                                MÄNNERSTIMME (OFF)

                          (aus dem Fernseher)

                      Franziska!

 

                                FRAUENSTIMME (OFF)

                          (aus dem Fernseher)

                      Egal, was Du sagst, Jan, unser Entschluß

                      steht fest. Emma, komm, wir gehen jetzt.

 

            David zappt weiter, man hört kurz einen Nachrichtensprecher,

            dann Musik, dann macht er aus. Hanna bemerkt das,

            konzentriert sich aber auf ihre Zeitschrift. David legt die

            Fernbedienung hin und blickt zu Hanna. Er setzt sich auf.

 

                                DAVID STEINER

                      Ich geh schlafen.

 

            David gibt Hanna einen schnellen Kuß auf die Kopf und steht

            auf. Hanna lächelt ihn kurz an. Er geht davon.

 

                                HANNA STEINER

                      Gute Nacht.

 

            Hanna schaut David hinterher.

 

            AUSSEN - VOR DEM HAUS - MORGEN

 

            Die Sonne geht über der Straße mit den Reihenhäusern auf.

            David kommt in Anzug und Mantel aus der Haustür und geht zu

            seinem Auto. Dabei grüßt er einen Nachbarn freundlich, der

            auch gerade losfährt. Ein bißchen wirkt es, als müßte er sich

            zu der Geste aufraffen. Dann steigt er ein.

 

            INNEN - KÜCHE - TAG

 

            Hanna steht in der Küche und räumt die Frühstücks-Sachen in

            die Geschirrspülmaschine. Von draußen hört man das Auto davon

            fahren. Als alles aufgeräumt ist, schaut Hanna sich um. Das

            ganze Haus ist still. Sie lehnt sich auf die Anrichte und

            schaut aus dem Fenster auf das Vogelhaus, das still und

            friedlich in der Morgensonne dasteht. Es sieht leer aus.

 

            INNEN - SCHLAFZIMMER - TAG

 

            Hanna steht im Schlafzimmer und zieht die Betten ab, dabei

            fällt eine Decke auf den Boden. Sie seufzt, hebt die Decke

            auf, und etwas kleines Braunes flitzt darunter hervor, durch

            den Raum und aus der Tür.

 

            Hanna erschrickt. Sie legt die Decke vorsichtig auf das Bett

            und lauscht. Leise hört man das Klagegeräusch. Hanna schaut

            sich um, dann nimmt sie ein dickes Buch vom Nachttisch.

            Langsam, das Buch wie eine Waffe haltend, geht sie aus dem

            Zimmer.

 

            INNEN - FLUR ÜBER DER TREPPE - TAG

 

            Hanna kommt mit dem Buch in der Hand in den Flur und schaut

            sich um. Sie schaut eine verschlossene Tür auf der anderen

            Seite des Flurs seltsam eindringlich an. Dann blickt sie die

            Treppe hinunter. Sie liegt breit und gefährlich tief da.

            Hanna sammelt sich und beginnt vorsichtig die Treppe nach

            unten zu steigen, wobei sie sich an der Wand abstützt.

 

            INNEN - WOHNZIMMER - TAG

 

            Hanna kommt immer noch mit dem Buch in der Hand ins

            Wohnzimmer. Sie schaut sich suchend um. Es ist nichts zu

            hören oder zu sehen. Sie legt das Buch ab und geht schnell in

            die Küche.

 

            Man hört eine Schublade auf- und wieder zugehen, dann kommt

            Hanna mit einem Hammer in der Hand zurück ins Wohnzimmer.

 

            Hanna geht mit leisen Schritten langsam auf einen Sessel zu

            und schaut immer wieder unter die Möbel. Sie greift den

            Hammer fester und schiebt ruckartig den Sessel zur Seite.

            Darunter ist nichts. Sie bückt sich, um unter die Couch zu

            schauen. Dann versucht sie, die Couch genau wie den Sessel zu

            verschieben, aber sie bewegt sich kaum, sie ist zu schwer.

            Hanna holt tief Luft und läßt den Hammer sinken.

 

            INNEN - ARBEITSZIMMER - TAG

 

            Hanna sitzt am Computer und surft. Sie klickt sich mit der

            Maus durch die Seiten. Dabei schaut sie mehrmals auf und

            lauscht, aber es ist nichts zu hören. Plötzlich hält sie kurz

            inne, dann öffnet sie eine Seite mit einer Suchmaschine. Sie

            tippt die vier Buchstaben "YUMA" in die Suchzeile ein und

            drückt Return. Es wird angezeigt, daß es keine Suchergebnisse

            gibt. Sie überlegt, dann schließt sie den Browser.

 

            INNEN - KÜCHE - NACHT

 

            Hanna und David kommen mit dem Abendessen-Geschirr in die

            Küche. Er stellt seine Sachen ab und geht wieder hinaus. Sie

            beginnt, die Spülmaschine einzuräumen.

 

                                DAVID STEINER (OFF)

                      Wollen wir am Freitag Christoph und

                      Yvonne zum Essen einladen?

 

            Hanna steht über die Spülmaschine gebeugt, als plötzlich das

            kleine braune Etwas unter einem Schrank hervorhuscht und über

            den Boden durch die Küchentür flitzt. Sie erschrickt und

            starrt ihm nach.  

 

                                DAVID STEINER (OFF)

                      Das müssen wir wirklich- mal wieder

 

            David erscheint in der Tür, in der Hand mehrere Flaschen. Er

            unterbricht sich und schaut sie verwundert an.

 

                                DAVID STEINER

                      Was ist los?

 

            Hanna richtet sich auf und schaut ihn an.

 

                                HANNA STEINER

                      Ich hab's wieder gesehen.

                      Das Tier.

 

                                DAVID STEINER

                      Was?

 

                                HANNA STEINER

                      Ich hab Dir das nicht erzählt.

                          (wie ein Geständnis)

                      Ich glaub, ich hab das Ding - das Ding,

                      das im Vogelhaus war - heut morgen im

                      Schlafzimmer oben gesehen. Und jetzt hab

                      ich's wieder gesehen. Gerade eben.

 

            David stellt die Flaschen ab.

 

                                DAVID STEINER

                      In dem Vogelhaus war nichts.

 

                                HANNA STEINER

                      Als Du nachgeschaut hast, nicht.

                      Aber das Tier ist blitzschnell.

 

            David schaut sie besorgt an, dann folgt er ihrem Blick in

            Richtung Küchentür.

 

                                DAVID STEINER

                      Du hast es gerade eben gesehen?

                          (schaut durch die Tür)

                      Da ist aber nix.

 

                                HANNA STEINER

                      Und im Wohnzimmer?

 

            David seufzt und verschwindet durch die Tür. Hanna schaut ihm

            nach, bis er wieder kommt. Er hat ein Lächeln auf den Lippen.

 

                                DAVID STEINER

                          (leicht spöttisch)

                      Tut mir leid. - Es sei denn, es war eine

                      Maus. Vielleicht haben wir Mäuse.

 

                                HANNA STEINER

                      Aber es ist viel größer. Und es ist

                      braun. Mäuse sind grau.

 

                                DAVID STEINER

                      Es wird Dich schon nicht angreifen, es

                      läuft ja davon.

                          (nach einer Pause)

                      Wenn es sein muß, können wir einen

                      Kammerjäger holen.

 

                                HANNA STEINER

                          (schnell)

                      Ja.

 

                                DAVID STEINER

                      Wie groß war es denn?

 

            Hanna hält ihre Hände etwa fünfzehn Zentimeter auseinander.

 

                                HANNA STEINER

                      So.

 

                                DAVID STEINER

                      Vielleicht ist es ein Marder.

 

                                HANNA STEINER

                      Aber es ist schneller. Und es hat blaue

                      Augen. Vorhin ist es kurz stehengeblieben

                      und hat mich genau angeschaut.

 

            David schaut sie zweifelnd an. Hanna zeigt auf eine Stelle.

 

                                HANNA STEINER

                          (steigert sich rein)

                      Wirklich. Genau da ist es stehengeblieben

                      und hat mich angeschaut.

 

            David legt ihr eine Hand auf den Arm.

 

                                DAVID STEINER

                          (beruhigend)

                      Ach komm.

 

                                HANNA STEINER

                          (noch heftig)

                      Ich kann Dir gar nicht sagen, wie böse es

                      aussieht.

 

            David nimmt seine Hand zurück. Sie stehen still da.

 

                                HANNA STEINER

                          (plötzlich)

                      Gibt es ein Tier, das Yuma heißt?

 

                                DAVID STEINER

                      Yuma? - Hab ich noch nie gehört. Warum?

 

                                HANNA STEINER

                      Das ist mir plötzlich eingefallen.

                      Vielleicht hab ich den Namen irgendwo

                      gelesen.

 

                                DAVID STEINER

                      Yuma? - Das gibt's nicht.

                      Also, komm.

                          (beugt sich zur Spülmaschine)

                      Das mußt Du Dir ausgedacht haben.

                      Wahrscheinlich ist es aus Harry Potter.

 

            David räumt weiter die Spülmaschine ein. Hanna steht neben

            ihm und schaut ihn an.

 

            INNEN - SCHLAFZIMMER - NACHT

 

            Hanna liegt mit einem Buch im Bett, sie liest tatsächlich

            Harry Potter. David kommt noch angezogen herein. Sie schaut

            kurz auf, dann bemerkt sie eine Bewegung im Raum. Das Yuma

            flitzt unter dem Bett hervor, an David vorbei und aus dem

            Raum. Er sieht es nun auch und blickt erschrocken hinterher.

 

                                HANNA STEINER

                      Jetzt hast Du's auch gesehen.

 

            David wirft ihr einen ausdruckslosen Blick zu und geht aus

            dem Zimmer. Sie hört, wie er schnell die Treppe nach unten

            geht und im Wohnzimmer Möbel hin und her schiebt. Hanna legt

            ihr Buch zur Seite und lauscht nach unten. Dann setzt sie

            sich auf und will gerade aufstehen, als David wieder ins

            Zimmer kommt. Sie schaut ihn erwartungsvoll an. Er läßt sich

            Zeit, bevor er etwas sagt.

 

                                DAVID STEINER

                      Ja, ich hab's gesehen.

 

            David zieht Hose und Socken aus. Hanna lehnt sich wieder

            zurück ins Bett.

 

                                HANNA STEINER

                      Hast Du's erkennen können? Es ist doch

                      direkt an Dir vorbeigerannt.

 

                                DAVID STEINER

                      Es war zu schnell.

                          (anklagend)

                      Du hast es ja auch nicht erkannt!

 

            Sie schweigen sich an. David überlegt, dann kniet er sich hin

            und schaut unter das Bett.

 

                                DAVID STEINER

                      Also, wenn wir's noch mal sehen-

                          (plötzlich verärgert)

                      Wenn wir's überhaupt gesehen haben.

 

                                HANNA STEINER

                      Was? - Du hast es doch gesehen!

 

                                DAVID STEINER

                          (heftig)

                      Ich glaube, daß ich's gesehen hab.

 

            David steht wieder auf.

 

                                DAVID STEINER

                      Ach, was weiß ich. Deine Beschreibung war

                      ja auch ganz schön überzeugend.

 

            Hanna schaut ihn beleidigt an.

 

                                DAVID STEINER

                      Wenn wir es noch mal sehen, leihen wir

                      uns eine Katze aus. Die wird es schon

                      fangen.

 

                                HANNA STEINER

                      Aber nicht Minka. Die Friederichs will

                      ich lieber nicht fragen.

                          (nach einer Pause)

                      Oder wir holen doch einen Kammerjäger.

 

                                DAVID STEINER

                      Ha. Und wonach soll er suchen?

 

                                HANNA STEINER

                      Nach dem Tier, das wir gesehen haben.

 

            Hanna schüttelt wütend den Kopf, legt sich flach hin und

            dreht sich von David weg. Er blickt sie nachdenklich an.

 

                                DAVID STEINER

                          (versöhnlich)

                      Versuchen wir's mal mit einer Katze.

                      Ich weiß auch schon, welche. Ein Kollege

                      von mir hat eine. Als seine Nachbarn

                      umgezogen sind, haben sie die übernommen.

                      Aber seine Frau mag keine Katzen.

 

            Hanna dreht sich wieder zu ihm. Er hat sein Hemd ausgezogen

            und steht nun nur in Shorts da.

 

                                HANNA STEINER

                      Ich mag Katzen auch nicht besonders. Wir

                      wollen uns doch keine Katze anschaffen.

 

                                DAVID STEINER

                      Müssen wir ja nicht. Aber die können wir

                      bestimmt ausleihen.

 

            David setzt sich aufs Bett und zieht sein Schlaf-T-Shirt an.

            Sie beobachtet ihn dabei, mustert seinen nackten Körper, und

            er bemerkt ihren Blick.

 

                                DAVID STEINER

                      Laß uns schlafen. Ich bin todmüde.

 

            INNEN - WOHNZIMMER - ABEND

 

            Hanna sitzt auf der Couch und wartet, sie knabbert an einem

            Fingernagel. Draußen wird es schon dunkel. Schließlich hört

            man das Auto vorfahren. Wieder schlägt eine Tür, der

            Schlüssel wird im Schloß gedreht. David kommt herein. Er

            trägt einen Transportkorb und wirkt irgendwie fröhlich.

 

                                DAVID STEINER

                          (ruft)

                      Hallo, wir sind da.

 

            David kommt ins Wohnzimmer und stellt den Korb auf den Boden.

            Stolz schaut er Hanna an und öffnet die Tür. Eine Katze

            schaut heraus.

 

                                DAVID STEINER

                      Das ist Lucky.

 

                                HANNA STEINER

                          (skeptisch)

                      Hallo.

 

            David wirft ihr einen Blick zu. Er nimmt die Katze auf den

            Arm und hält sie - fast wie ein Baby.

 

                                DAVID STEINER

                      Haben wir ein bißchen Milch? Oder besser

                      noch Sahne?

 

            Hanna reagiert nicht. Nach einer Weile schaut David auf.

 

                                                              SCHNITT AUF

 

            Die Katze sitzt in einem kleinen Lager aus einer Kiste, die

            mit Handtüchern ausgelegt ist, und schleckt zufrieden Milch.

 

                                DAVID STEINER

                          (zur Katze)

                      Na, das schmeckt Dir, was? Jaaa.

                      Jetzt bleibst Du ein paar Tage hier und

                      fängst das böse Yuma.

                          (zu Hanna)

                      Am liebsten mag sie Thunfisch aus der

                      Dose. Und sie haben gesagt, wenn wir

                      möchten, können wir sie gerne auch

                      behalten. Wir sollen es uns überlegen.

 

            Hanna schaut ihn skeptisch an.

 

                                HANNA STEINER

                      Ist die nicht zu klein, um was zu

                      fangen?

 

                                DAVID STEINER

                      Ach komm.

 

            David schaut liebevoll auf die Katze. Hanna beobachtet ihn

            unsicher.

 

            AUSSEN - HINTER DEM HAUS - NACHT

 

            Der Garten liegt still da. In einem Zimmer im ersten Stock

            geht das Licht aus. Das Vogelhaus steht da und schwingt

            leicht im Wind, der über den Pflock streicht.

 

            INNEN - FLUR ÜBER DER TREPPE - NACHT

 

            Der Flur liegt still da. Von unten hört man leise ein

            Geräusch. Es klingt wie das Klagen des Yumas, könnte aber

            diesmal wirklich ein Baby sein, das leise schreit.

 

            Wir bewegen uns langsam auf die Treppe zu, die sich unter uns

            bedrohlich nähert und dabei so wegkippt, daß sie immer tiefer

            und gefährlicher wirkt. Währenddessen wird das Klagegeräusch

            immer lauter und lauter, bis es schließlich zu einem

            richtigen Schrei wird.

 

            Plötzlich geht das Licht im Flur an, und der Schrei erstickt.

 

                                DAVID STEINER (OFF)

                      Hanna?

 

            Nun sehen wir, daß Hanna im Nachthemd voller Tränen im

            Gesicht an der Treppe hockt und gefährlich nah an der

            obersten Stufe hin und her kippelt. David tritt erschrocken

            zu ihr und zieht sie zurück. Sie klammert sich an ihn.

 

                                DAVID STEINER

                          (etwas zu heftig)

                      Was machst Du denn?

 

            Hanna schaut ihn aus verheulten Augen an.

 

                                HANNA STEINER

                          (flüstert)

                      David. Oh David.

 

            David schaut sie verzweifelt an. Dann zieht er sie hoch.

 

            AUSSEN - HINTER DEM HAUS - NACHT

 

            Der Garten liegt still da. In einem Zimmer im ersten Stock

            geht das Licht aus. Das Vogelhaus steht da und schwingt

            leicht im Wind, der über den Pflock streicht.

 

            INNEN - KÜCHE - TAG

 

            Hanna steht in der Küche und bereitet ein größeres Abendessen

            vor. Auf dem Tisch steht das "gute" Geschirr, Teller, Töpfe

            und verschiedene Gläser. Sie schaut auf, als die Katze in der

            Tür erscheint. Sie scheinen sich anzublicken. Als Hanna auf

            sie zugeht, verschwindet die Katze wieder. Hanna geht ihr

            hinterher.

 

            INNEN - WOHNZIMMER - TAG

 

            Hanna kommt ins Wohnzimmer. Die Katze streicht um die Möbel.

            Hanna beobachtet sie.

 

                                HANNA STEINER

                      Du sollst was fangen.

 

            Hanna geht zur Katze, hebt sie hoch und trägt sie zur Couch.

            Sie setzt sie wieder ab, so daß die Katze unter die Couch

            schauen kann. Die Katze sträubt sich leicht, Hanna läßt sie

            los und die Katze läuft davon. Hanna seufzt und schaut sie

            zweifelnd an.

 

            INNEN - KÜCHE - TAG

 

            Hanna sitzt am Tisch und putzt mit mechanischen Bewegungen

            Silberbesteck. Sie wirkt noch blasser als sonst. Das geputzte

            Besteck legt sie in einen Besteckkorb. Plötzlich flitzt das

            Yuma auf dem Boden vorbei, durch die Tür ins Wohnzimmer.

            Hanna erstarrt. Dann steht sie auf und geht aus der Küche.

 

            INNEN - WOHNZIMMER - TAG

 

            Hanna kommt vorsichtig ins Wohnzimmer und schaut sich um. Die

            Katze liegt auf der Couch und schläft. Von dem Yuma ist

            nichts zu sehen. Hanna starrt die Katze an.

 

            INNEN - KÜCHE - TAG

 

            Hanna kommt aufgewühlt herein, setzt sich an den Tisch und

            greift nach dem Silberputztuch. Dabei stößt sie an den

            Besteckkorb, der krachend auf den Boden fällt. Sie sitzt

            verzweifelt da.

 

            INNEN - FLUR UNTERHALB DER TREPPE - ABEND

 

            Hanna sitzt regungslos ganz oben auf der Treppe und schaut

            nach unten ins Leere. Man hört das Auto ankommen. Die Tür

            schlägt zu, dann kommt David ins Haus. Er entdeckt Hanna.

 

                                DAVID STEINER

                      Hallo.

 

            David schaut auf seine Uhr. Hanna blickt langsam zu ihm.

 

                                DAVID STEINER

                      Christoph und Yvonne kommen gleich.

 

            Hanna steht wie aus einer Trance erwachend auf.

 

                                HANNA STEINER

                      Es ist schon alles fertig.

 

            Hanna steigt die Treppe herunter, wobei sie sich wieder

            unbewußt an der Wand abstützt, und geht an David vorbei, in

            Richtung Küche. Er blickt hinter ihr her, dann die Treppe

            hinauf.

 

            INNEN - WOHNZIMMER - NACHT

 

            Hanna und David sitzen still im Wohnzimmer und warten. Er am

            festlich gedeckten Tisch, sie auf der Couch. Sie haben sich

            schick angezogen. Nach einer Weile hört man draußen

            Geräusche, dann klingelt es an der Tür. David steht auf.

 

                                DAVID STEINER

                      Da sind sie.

 

            Hanna lächelt ihn kurz an und schaut ihm nach, wie er zur

            Haustür geht und aufmacht. Man hört die Begrüßung.

 

                                DAVID STEINER (OFF)

                      Hallo. Kommt rein.

 

                                CHRISTOPH WILLMANN (OFF)

                      Hallo David.

 

                                YVONNE WILLMANN (OFF)

                      Hallo.

 

                                DAVID STEINER (OFF)

                      Na, wie geht's. Legt doch ab.

 

                                YVONNE WILLMANN (OFF)

                      Danke gut. Und Euch?

                          (nach einer Pause)

                      Wie geht's Hanna? Ist sie- wieder etwas

 

                                DAVID STEINER (OFF)

                          (unterbricht sie)

                      Gut. Ihr geht's gut. Sie ist im

                      Wohnzimmer.

 

            Hanna sammelt sich, setzt ein Lächeln auf und steht auf.

 

                                HANNA STEINER

                          (ruft)

                      Ich bin hier. Kommt doch rein.

 

            David kommt mit CHRISTOPH und YVONNE WILLMANN herein. Sie

            sind im gleichen Alter wie David und Hanna. Hanna geht auf

            sie zu. Sie gibt Yvonne die Hand.

 

                                HANNA STEINER

                      Schön Euch zu sehen.

 

                                YVONNE WILLMANN

                      Hallo Hanna. Gut siehst Du aus. Wie

                      geht's Dir?

 

            Christoph begrüßt Hanna und hält ihr eine Flasche Wein hin.

 

                                CHRISTOPH WILLMANN

                      Die haben wir mitgebracht.

 

                                DAVID STEINER

                      Soll ich die nehmen?

 

                                HANNA STEINER

                      Nein, laß nur. Ich mach schon.

 

            Hanna nimmt die Flasche Wein und geht damit in die Küche.

 

                                HANNA STEINER

                          (im Weggehen)

                      Setzt Euch doch. Das Essen ist gleich

                      soweit.

 

            Yvonne blickt hinter Hanna her, dann etwas skeptisch zu

            David. Er schaut noch hinter Hanna her, dann zu Christoph und

            Yvonne, als wolle er etwas sagen. Dann lächelt er nur und

            zeigt auf den Tisch und geht vor.

 

                                DAVID STEINER

                      Bitte.

 

            Yvonne wirft Christoph einen vielsagenden Blick zu, während

            sie hinter David hergehen und sich an den Tisch setzen.

 

            INNEN - WOHNZIMMER - NACHT

 

            Die vier sitzen am Tisch, fertig mit dem Hauptgericht. Die

            Atmosphäre ist nicht so wirklich entspannt, auch wenn sich

            keiner etwas anmerken lassen will. David will Yvonne etwas

            Wein einschenken.

 

                                YVONNE WILLMANN

                          (lehnt lächelnd ab)

                      Danke.

 

            David schenkt Christoph ein, dann sich selbst. Christoph

            tupft sich den Mund mit der Serviette ab.

 

                                CHRISTOPH WILLMANN

                      Habt Ihr Lust morgen mit uns rauszufahren?

                      Wir wollen wieder eine Tour mit dem Boot

                      machen. Es ist zwar kalt, aber morgen soll

                      es schön werden.

 

            David wartet, ob Hanna etwas sagt, doch sie beginnt die

            Teller zusammenzuräumen.

 

                                HANNA STEINER

                          (zu Yvonne)

                      Hat's Dir geschmeckt?

 

                                YVONNE WILLMANN

                      Danke. Es war wieder sehr gut.

 

                                DAVID STEINER

                          (mit Blick auf Hanna)

                      Eigentlich gerne, aber wir haben gerade

                      eine Katze hier. Ich finde, wir sollten

                      sie nicht den ganzen Tag allein lassen.

 

                                YVONNE WILLMANN

                          (zu Hanna)

                      Ich dachte, Du magst keine Haustiere?

 

                                HANNA STEINER

                      Sie ist nur ausgeliehen. Ich... glaube,

                      wir haben Mäuse hier. Und jetzt soll sie

                      herausfinden, ob es stimmt.

 

            Hanna lächelt in die Runde, steht auf und räumt zusammen.

            Yvonne will auch aufstehen.

 

                                YVONNE WILLMANN

                      Ich helf Dir.

 

                                HANNA STEINER

                      Bitte bleib sitzen. Ich mach das schnell.

                      Ich muß sowieso den Nachtisch machen.

 

            Hanna nimmt die Teller und das Besteck auf einen Stapel und

            verschwindet in die Küche. Sie zieht die Tür hinter sich zu,

            so daß sie angelehnt aber nicht ganz geschlossen ist. Die

            drei schauen ihr hinterher.

 

            Yvonne schaut kurz zu Christoph, dann zu David.

 

                                YVONNE WILLMANN

                          (gedämpft)

                      Ihr habt immer noch nicht darüber

                      gesprochen.

 

            David blickt sie leer an. Yvonne schüttelt den Kopf.

 

                                YVONNE WILLMANN

                      Das geht doch so nicht, David.

 

                                CHRISTOPH WILLMANN

                      Yvonne.

 

                                YVONNE WILLMANN

                      Was?! Die beiden gehen daran kaputt!

 

                                CHRISTOPH WILLMANN

                      Es ist doch gar nicht- sicher, ob es

 

                                YVONNE WILLMANN

                          (unterbricht ihn heftig)

                      Wenn ich im vierten Monat schwanger bin,

                      dann passe ich auf, daß ich nicht die

                      Treppe herunterfalle.

 

            Stille.

 

                                DAVID STEINER

                      Es war ein Unfall.

 

                                YVONNE WILLMANN

                      David, Du hast Dich so auf das Kind

                      gefreut!

 

            David kämpft mit sich. Dann schaut er Yvonne an.

 

                                DAVID STEINER

                      Jetzt ist es eben so.

 

            Yvonne will etwas antworten, als die Küchentür aufgeht und

            Hanna mit einem Tablett mit Nachtischschälchen hereinkommt.

            Sie tritt an den Tisch und verteilt den Nachtisch.

 

                                HANNA STEINER

                      Hier. Bitteschön.

 

            Hanna wirft David einen eindeutigen Blick zu.

 

                                HANNA STEINER

                      Guten Appetit.

 

            Die vier fangen an zu essen. In der Stille hört man nur das

            kalte Klackern der Löffel in den Glasschälchen.

 

            INNEN - FLUR UNTERHALB DER TREPPE - NACHT

 

            David steht an der Haustür und blickt zu Christoph und

            Yvonne, die draußen zu ihrem Auto laufen und einsteigen. Er

            winkt noch einmal und Yvonne blickt eindringlich zu ihm.

 

                                DAVID STEINER

                          (ruft)

                      Tschüß. Bis bald.

 

            David schließt langsam die Tür. Man hört das Auto losfahren.

            Er sammelt sich und geht ins Wohnzimmer.

 

            INNEN - WOHNZIMMER - NACHT

 

            David kommt herein. Hanna steht am Tisch und zieht gerade die

            Tischdecke ab. Er betrachtet sie. Wieder scheint sie seinem

            Blick auszuweichen.

 

                                DAVID STEINER

                      Kann ich Dir noch was helfen?

 

                                HANNA STEINER

                      Ich hab schon alles gemacht.

 

            David tritt an den Tisch,  hält sich an einem Stuhlrücken

            fest und blickt sie an. Man spürt, daß er mit sich kämpft,

            sie auf den Unfall anzusprechen. Er sammelt sich. Doch dann

            sagt Hanna etwas, als würde sie gar nicht auf ihn achten.

 

                                HANNA STEINER

                      Ich hab das Yuma wieder gesehen.

                          (nach einer Pause)

                      Es ist von der Küche ins Wohnzimmer

                      gerannt. Und die Katze hat sich überhaupt

                      nicht darum gekümmert.

 

            David starrt sie an. Zuerst wirkt es, als wolle er wütend

            werden, dann fällt er in seine alte Reserviertheit zurück.

 

                                DAVID STEINER

                      Gib ihr noch ein wenig Zeit.

 

            David geht aus dem Wohnzimmer nach oben. Hanna schaut ihm

            nach. Dann seufzt sie und setzt sich auf einen Stuhl.

 

            INNEN - SCHLAFZIMMER - NACHT

 

            Hanna und David liegen im Bett und schlafen. Durch das

            Fenster scheint schwach das Mondlicht herein. Hanna liegt auf

            dem Rücken, David hat sich im Schlaf auf die Seite gedreht,

            zu Hanna. Plötzlich hört man leise das Klagegeräusch des

            Yumas. Nach und nach wacht Hanna davon auf. Sie setzt sich

            halb auf, blinzelt in das dunkle Zimmer und lauscht. Eine

            Weile ist es still. Dann hört man Geräusch wieder. Hanna

            bekommt Angst und setzt sich vorsichtig auf.

 

            Hanna schaut auf David, der friedlich schlafend da liegt. Sie

            legt ihm die Hand auf die Schulter, als wolle sie ihn wecken.

            Er bewegt sich im Schlaf und dreht sich dann von ihr weg. Sie

            blickt ihn hilflos an, dann wendet sie sich wieder ab und

            schaut verzweifelt in den dunklen Raum und lauscht auf das

            Geräusch.

 

            INNEN - FLUR ÜBER DER TREPPE - NACHT

 

            Der Flur liegt im Mondlicht leer da. Die geschlossene Tür,

            die Hanna so seltsam eindringlich betrachtet hat, ragt im

            Halbdunkel bedrohlich auf. Dahinter hört man leise das

            Klagegeräusch des Yumas.

 

            INNEN - FLUR UNTERHALB DER TREPPE - TAG

 

            Hanna kommt am nächsten Morgen die Treppe herunter. Plötzlich

            bleibt sie stehen und starrt auf den Boden. Neben der

            untersten Stufe liegt das Yuma tot auf dem Boden. Es ist an

            Kopf, Bauch und Schwanz verstümmelt. Der Schwanz ist bis auf

            einen kurzen Stummel abgebissen, der Kopf fehlt ganz. Das

            Fell glänzt braun, an den blutverschmierten Stellen fast

            schwarz. Hanna schaut es an, dann dreht sie sich um und geht

            schnell die Treppe wieder hinauf.

 

            INNEN - SCHLAFZIMMER - TAG

 

            Hanna kommt leicht außer Atem ins Schlafzimmer. David liegt

            mit offenen Augen da und schaut an die Decke.

 

                                HANNA STEINER

                          (beim Hereinkommen)

                      David!

 

                                DAVID STEINER

                      Was ist denn?

 

                                HANNA STEINER

                      Die Katze hat es erwischt. Es liegt

                      unten. Komm mit runter. Ich will es

                      lieber gar nicht so genau sehen.

 

                                DAVID STEINER

                      Natürlich.

 

            David steigt aus dem Bett und geht aus dem Zimmer. Sie folgt

            ihm vorsichtig.

 

            INNEN - FLUR UNTERHALB DER TREPPE - TAG

 

            David und Hanna kommen die Treppe herunter. Er beugt sich

            nach unten und betrachtet das Yuma.

 

                                DAVID STEINER

                      Hm. Ganz schön groß.

 

                                HANNA STEINER

                      Was ist es?

 

                                DAVID STEINER

                      Keine Ahnung.

                      Ich hol die Kehrschaufel.

 

            David geht in Richtung Küche. Hanna steht unbehaglich neben

            dem toten Tierkadaver.

 

                                                              SCHNITT AUF

 

            Mit der Spitze einer zusammengerollten Zeitung schiebt David

            das Yuma auf die Kehrschaufel. Man kann den aufgerissenen

            Bauch, die durchbissene Luftröhre und die bloßliegenden

            Knochen erkennen. An den Füßen sind kleine Klauen.

 

            Hanna steht mit einem Lappen und einem Reiniger in einer

            Sprühdose daneben.

 

                                HANNA STEINER

                      Ist das ein Marder?

 

                                DAVID STEINER

                      Ich weiß nicht. Ich weiß es wirklich

                      nicht. Ich werf es einfach in den Müll.

 

            David geht mit der Kehrschaufel und der Zeitung in der Hand

            davon. Hanna kniet sich hin, sprüht etwas Reiniger auf Boden

            und wischt mit dem Lappen auf.

 

                                HANNA STEINER

                      Wo ist eigentlich die Katze?

 

            Hanna dreht sich zu David, doch er ist nicht mehr zu sehen.

            Sie seufzt und putzt weiter, obwohl eigentlich überhaupt kein

            Blut auf dem Boden zu sehen ist.

 

            INNEN - WOHNZIMMER - TAG

 

            Hanna und David sitzen beim Frühstück am Tisch im Wohnzimmer.

            Wieder reden sie nicht viel. Die Terrassentür steht offen, um

            etwas frische Luft hereinzulassen. Hanna setzt mehrmals an,

            bis David merkt, daß sie etwas sagen will, und sie anschaut.

 

                                HANNA STEINER

                      Ich frag mich, wo der Kopf ist.

                      Glaubst Du, die Katze hat ihn gefressen?

                          (nach einer Pause)

                      Nicht, daß er irgendwo im Haus liegt.

 

            Anstatt zu antworten nimmt David einen Schluck aus seiner

            Kaffeetasse. Hanna schaut ihn an. Plötzlich hört man von der

            Tür ein leises Miauen. Es ist Lucky, die in der Tür steht.

 

                                DAVID STEINER

                          (freut sich)

                      Hey.

 

            David streckt den Arm aus und die Katze kommt zu ihm. Er

            streichelt sie, hebt sie hoch und hält sie im Arm. Sie miaut

            wieder und räkelt sich in seinem Arm.

 

                                DAVID STEINER

                      Gute Lucky. Gute Lucky.

 

            David lächelt Hanna an. Sie versucht, das Lächeln zu erwidern

            und trinkt einen Schluck aus ihrer Tasse.

 

            INNEN - WOHNZIMMER/VOR DEM HAUS - TAG

 

            Durch das Fenster sieht man Hanna mit dem Auto ankommen. Sie

            macht den Motor aus und bleibt noch eine Weile wie erstarrt

            sitzen, dann gibt sie sich einen Ruck und steigt aus.

 

            Aus dem Kofferraum holt sie mehrere Supermarkt-Einkaufstüten

            und geht damit zur Haustür.

 

            INNEN - FLUR UNTERHALB DER TREPPE - TAG

 

            Hanna kommt durch die Haustür herein, stellt die Taschen ab

            und schaut sich um.

 

                                HANNA STEINER

                          (ruft)

                      David?

 

            Hanna blickt kurz ins Wohnzimmer, dann geht sie nach oben.

 

            INNEN - FLUR ÜBER DER TREPPE - TAG

 

            Hanna kommt noch in der Jacke die Treppe herauf. Sie zögert,

            als sie sieht, daß die Tür, die sie so seltsam eindringlich

            angeschaut hat, offensteht. Langsam geht sie darauf zu.

 

            INNEN - EHEMALIGES KINDERZIMMER - TAG

 

            Hanna kommt noch in der Jacke in das Zimmer. Es ist ein fast

            leerer Raum, der wohl das Kinderzimmer hätte werden sollen.

            Nun hat er sich zu einer Art Abstellraum entwickelt. Von der

            Decke hängt ein buntes Mobile als letztes Überbleibsel.

 

            David steht am Fenster und blickt auf den kahlen Garten.

 

                                HANNA STEINER

                      Was machst Du denn hier?

 

                                DAVID STEINER

                          (ohne sich umzudrehen)

                      Ich wollt eigentlich das Laub auf dem

                      Rasen auflesen. Aber dann war ich so

                      müde. Tut mir leid.

 

                                HANNA STEINER

                      Du mußt Dich doch nicht entschuldigen.

                      Wenn Du müde bist, leg Dich doch ein

                      bißchen schlafen.

 

            David reagiert nicht, und Hanna schaut sich unbehaglich im

            Raum um. Das Mobile scheint sie traurig anzuschreien.

 

                                DAVID STEINER

                      Bist du froh, daß es weg ist?

 

            Hanna starrt ihn an. Er dreht sich zu ihr. Sie weiß nicht,

            was sie sagen soll.

 

            Stille. Sie schauen sich an.

 

                                DAVID STEINER

                      Das Yuma.

 

            Hanna stößt die Luft aus und lacht gezwungen.

 

                                HANNA STEINER

                      Ja. Natürlich.

 

                                DAVID STEINER

                          (nach einer Pause)

                      Dann können wir ja jetzt die Katze

                      zurückgeben.

 

            David starrt sie weiter an. Hanna weicht seinem Blick aus.

 

            AUSSEN - VOR DEM HAUS - ABEND

 

            David läuft mit dem Katzenkorb in der Hand von der Haustür

            zum Auto. Hanna steht in der Tür und blickt ihm nach. Er

            wirkt sehr bedrückt. Vorsichtig stellt er den Korb in den

            Kofferraum, zögert einmal, als Lucky traurig miaut, und

            steigt dann entschlossen ins Auto. Er fährt los. Hanna schaut

            ihm eine Weile nach, dann schließt sie die Haustür.

 

                                                            SCHWARZBLENDE

 

            AUSSEN - HINTER DEM HAUS - TAG

 

            David steht in Freizeit-Montur im Garten und fegt das Laub

            auf dem Rasen zusammen. Am Rand der Terrasse steht das

            Vogelhaus und funkelt in der Sonne. Als David einen Eimer

            voll Laub hat, legt er den Rechen ab und nimmt den Eimer. Er

            geht damit zur Terrasse, als er plötzlich innehält. Er schaut

            auf das Vogelhaus. Durch das Flugloch sieht er undeutlich das

            Gesicht des Yumas, das grimmig herausstarrt.

 

            David stellt den Eimer ab und will auf das Vogelhaus zugehen,

            als er Hanna in der Terrassentür bemerkt. Sie starrt ihn an.

 

                                HANNA STEINER

                      Da ist es wieder.

 

            David schaut Hanna ausdruckslos an und geht auf das Vogelhaus

            zu, da gibt das Tier wieder das kurze bedrohliche Klage-

            geräusch von sich. David hält inne und blickt zu Hanna, die

            unbehaglich dasteht.

 

            Dann nimmt David sich zusammen und geht los, als plötzlich

            Lucky, die Katze, aus dem Gestrüpp neben dem Pflock mit dem

            Vogelhaus angelaufen kommt. David bleibt überrascht stehen,

            geht in die Knie und streichelt Lucky, die zielstrebig zu ihm

            kommt.

 

                                DAVID STEINER

                      Sie ist wieder da.

 

            Hanna steht in der Terrassentür und starrt die beiden an.

 

                                DAVID STEINER

                      Sie hat den ganzen Weg hierher gefunden.

                      Ganz alleine.

 

            David dreht sich zu Hanna und lächelt sie strahlend an.

 

                                DAVID STEINER

                      Ist das nicht schön?

 

            Hanna steht da und muß die Zähne zusammenbeißen, um nicht

            laut loszuschreien.

 

                                       F I N E

 

 

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