Leseprobe
LEER IST DAS VOGELHAUS
Drehbuch von Philipp Koblmiller (nach der Kurzgeschichte von Patricia Highsmith)
AUSSEN - HINTER DEM HAUS - TAG
Die Terrasse eines Reihenhauses im Januar. Zum Garten hin
hängt ein großes Vogelhaus an einem Holzpflock. Der Garten
ist winterlich kahl, auf dem Rasen liegt viel Laub, das man
mal auflesen müßte. Aus der Terrassentür tritt eine schmale
Frau Anfang 30. Sie wirkt ein wenig blaß, auch wenn sie das
durch ein gestyltes Äußeres zu verstecken versucht. Sie
stellt sich auf die Terrasse dicht an die Hauswand und zündet
eine Zigarette an. Sie ist HANNA STEINER. Sie blickt über den
Garten und zieht angestrengt an der Zigarette.
Aus dem angrenzenden Grundstück schleicht eine Katze in den
Garten. Hanna beobachtet, wie sie sich dem Vogelhaus nähert.
Als die Katze den Pflock erreicht hat und nach oben lauert,
will Hanna sie verscheuchen.
HANNA STEINER
Kscht!
Die Katze läßt sich nicht beeindrucken.
HANNA STEINER
Kscht! KSCHT!
Die Katze blickt kurz zu ihr, beginnt dann aber, die Pfote
nach oben zum Vogelhaus zu strecken. Hanna nimmt einen
kleinen Stein vom Boden und wirft ihn nach der Katze. Diese
zuckt zusammen und läuft davon.
Hanna schaut ihr nach und will gerade ihre Zigarette
ausdrücken, als sie gerufen wird.
NACHBARIN
Hallo? Frau Steiner?
Hanna schaut auf. Im Garten des Grundstücks nebenan, aus dem
die Katze gekommen ist, steht eine etwas ältere Frau, die
NACHBARIN. In der Hand hat sie ein kleines Futterschälchen.
Hanna nickt ihr zu.
NACHBARIN
Geht's wieder besser?
Man kriegt sie ja gar nicht mehr zu
sehen.
HANNA STEINER
Ja danke.
Sie schauen sich an. Hanna hat wohl keine Lust auf ein
Gespräch, und die Nachbarin bemerkt das netterweise.
NACHBARIN
Ha, schon recht. Dann bis bald, hoff ich.
Und alles... Gute.
(schon im Gehen)
Haben Sie die Minka gesehen?
HANNA STEINER
Nein.
Hanna steht wie erstarrt da, während die Nachbarin sich
abwendet, ihre Katze ruft und wieder im Haus verschwindet.
NACHBARIN (OFF)
Minka? Essen ist fertig.
Nach einer Weile löst Hanna sich wieder und drückt ihre
Zigarette sorgfältig in einem großen Aschenbecher aus. Sie
will gerade wieder ins Haus gehen, als sie ein Geräusch hört.
Hanna hält inne und dreht sich zurück. Sie blickt sich um,
doch nirgends ist etwas ungewöhnliches zu sehen. Sie will
sich wieder abwenden, da ertönt das Geräusch noch einmal. Es
klingt entfernt wie ein Kinderweinen, ist nur viel kürzer.
Hanna schaut sich um, dann entdeckt sie etwas durch das große
Flugloch im Vogelhaus. Sie erkennt undeutlich das Gesicht
eines kleinen Tieres, eigentlich sieht sie nur zwei blaue
Knopfaugen umrahmt von braunem Fell, die sie mit dämonischer
Intensität grimmig und grausam anstarren.
Hanna steht überrascht da. Sie geht auf das Vogelhaus zu, da
gibt das Tier wieder das kurze Klagegeräusch von sich,
diesmal klingt es jedoch eher bedrohlich. Hanna bleibt
unbehaglich stehen und starrt auf das Vogelhaus. Dann gibt
sie sich einen Ruck und geht ins Haus.
Das Tier scheint ihr aus dem Vogelhaus hinterherzustarren.
SCHWARZBLENDE
TITEL:"LEER IST DAS VOGELHAUS"
INNEN - KÜCHE - ABEND
Hanna steht in der Küche und bereitet das Abendessen vor.
Durch das Fenster schaut sie auf den Garten und beobachtet
das Vogelhaus. Es steht still und jetzt leer da. Hanna blickt
auf die Uhr an der Wand, und pünktlich hört man draußen ein
Auto vorfahren. Eine Tür wird zugeschlagen, kurz darauf hört
man einen Schlüssel, und die Haustür wird aufgeschlossen.
Jemand kommt herein. Hanna bleibt starr in der Küche stehen
und lauscht auf die Geräusche.
DAVID STEINER
(ruft)
Hallo.
Die Schritte nähern sich und ein Mann kommt in die Küche. Er
ist ein paar Jahre älter als Hanna, trägt einen schicken
Anzug unter einem Mantel, und wirkt erschöpft. Er ist Hannas
Mann, DAVID STEINER. Eine leichte Reserviertheit umgibt ihn.
DAVID STEINER
Hallo.
Sie dreht sich zum ihm, und er begrüßt sie mit einem
routinierten Kuß auf die Wange.
HANNA STEINER
Mm.
DAVID STEINER
(als echte Frage)
Wie geht's Dir?
HANNA STEINER
Gut. - Es gibt gleich Essen.
David schenkt sich ein Glas mit Mineralwasser voll und trinkt
durstig. Hanna nimmt ein Tablett mit Geschirr und Gläsern und
will aus der Küche gehen.
HANNA STEINER
In Deinem Vogelhaus sitzt ein Tier.
David schaut überrascht auf.
DAVID STEINER
Tatsächlich?
HANNA STEINER
Vielleicht hab ich mich ja getäuscht.
Aber ich möchte trotzdem, daß Du mal
nachschaust, ob da was drin ist.
DAVID STEINER
Na gut. Aber jetzt zieh ich mich erst mal
um.
INNEN - WOHNZIMMER - NACHT
Hanna und David sitzen am Tisch. Er hat sich etwas Bequemeres
angezogen. Sie sind schon fertig mit Essen, offensichtlich
haben sie dabei nicht viel miteinander geredet. David liest
das Etikett auf der Rückseite einer Weinflasche.
HANNA STEINER
Bist Du fertig?
David lächelt sie kurz an.
DAVID STEINER
Ja. Danke.
Hanna steht auf und beginnt zusammenzuräumen.
HANNA STEINER
Schaust Du dann jetzt nach dem Vogelhaus?
Bevor es ganz dunkel wird.
DAVID STEINER
Natürlich.
David faltet seine Serviette zusammen und beobachtet Hanna,
während sie den Tisch abräumt. Sie scheint seinem Blick
auszuweichen.
AUSSEN - HINTER DEM HAUS - NACHT
David tritt im Schein des Lichtes aus dem Wohnzimmer an das
Vogelhaus. Er schaut es genau an und klopft dann dagegen.
Nichts passiert. Hanna steht mit verschränkten Armen in der
Terrassentür und schaut ihm zu.
DAVID STEINER
Machst Du mal das Licht an?
Hanna macht das Licht auf der Terrasse an. Es wird heller,
und David nimmt das Vogelhaus von dem Pflock.
David schüttelt das Vogelhaus, dreht es langsam, bis das Loch
nach unten zeigt, und schüttelt es noch mal. Ein paar Körner
fallen heraus.
DAVID STEINER
Nix. Zumindest kein Tier.
David lächelt Hanna breit an.
DAVID STEINER
Ich frag mich, was Du gesehen hast.
Vielleicht wird es Zeit, daß Du mal
wieder unter Leute gehst.
HANNA STEINER
Nein, ich hab's Dir doch beschrieben.
(bestimmt)
Es ist ziemlich groß und es hat blaue
Augen und einen... irgendwie ernsten
Mund.
DAVID STEINER
(muß lachen)
Einen ernsten Mund?
HANNA STEINER
Einen angespannten Mund. Es sieht... böse
aus.
David steht mit dem Vogelhaus in der Hand da und schaut sie
leicht spöttisch an.
DAVID STEINER
Aha.
Hanna starrt ihn an, als wolle sie ihm etwas sagen, dann
reißt sie sich zusammen und geht schnell ins Wohnzimmer.
David schaut ihr mit hochgezogenen Augenbrauen hinterher.
INNEN - WOHNZIMMER - NACHT
Der Fernseher läuft. Hanna und David sitzen nebeneinander auf
der Couch, allerdings recht distanziert. Er hat sich
zurückgelehnt und ein Bein auf den Couchtisch gelegt, sie
sitzt nach vorne gebeugt und blättert in einer Zeitschrift.
David hält die Fernbedienung in einer Hand und zappt herum.
Bei einem Spielfilm bleibt er hängen.
FRAUENSTIMME (OFF)
(aus dem Fernseher)
Nein! Ich habe einen Entschluß gefaßt.
Ich verlasse Dich! Emma hat mir geholfen,
und sie kommt mit mir, sie versteht mich.
MÄNNERSTIMME (OFF)
(aus dem Fernseher)
Emma kann Dich gar nicht verstehen.
FRAUENSTIMME (OFF)
(aus dem Fernseher)
Oh doch, sie versteht mich, sie versteht
mich tausendmal mehr als Du.
MÄNNERSTIMME (OFF)
(aus dem Fernseher)
Franziska!
FRAUENSTIMME (OFF)
(aus dem Fernseher)
Egal, was Du sagst, Jan, unser Entschluß
steht fest. Emma, komm, wir gehen jetzt.
David zappt weiter, man hört kurz einen Nachrichtensprecher,
dann Musik, dann macht er aus. Hanna bemerkt das,
konzentriert sich aber auf ihre Zeitschrift. David legt die
Fernbedienung hin und blickt zu Hanna. Er setzt sich auf.
DAVID STEINER
Ich geh schlafen.
David gibt Hanna einen schnellen Kuß auf die Kopf und steht
auf. Hanna lächelt ihn kurz an. Er geht davon.
HANNA STEINER
Gute Nacht.
Hanna schaut David hinterher.
AUSSEN - VOR DEM HAUS - MORGEN
Die Sonne geht über der Straße mit den Reihenhäusern auf.
David kommt in Anzug und Mantel aus der Haustür und geht zu
seinem Auto. Dabei grüßt er einen Nachbarn freundlich, der
auch gerade losfährt. Ein bißchen wirkt es, als müßte er sich
zu der Geste aufraffen. Dann steigt er ein.
INNEN - KÜCHE - TAG
Hanna steht in der Küche und räumt die Frühstücks-Sachen in
die Geschirrspülmaschine. Von draußen hört man das Auto davon
fahren. Als alles aufgeräumt ist, schaut Hanna sich um. Das
ganze Haus ist still. Sie lehnt sich auf die Anrichte und
schaut aus dem Fenster auf das Vogelhaus, das still und
friedlich in der Morgensonne dasteht. Es sieht leer aus.
INNEN - SCHLAFZIMMER - TAG
Hanna steht im Schlafzimmer und zieht die Betten ab, dabei
fällt eine Decke auf den Boden. Sie seufzt, hebt die Decke
auf, und etwas kleines Braunes flitzt darunter hervor, durch
den Raum und aus der Tür.
Hanna erschrickt. Sie legt die Decke vorsichtig auf das Bett
und lauscht. Leise hört man das Klagegeräusch. Hanna schaut
sich um, dann nimmt sie ein dickes Buch vom Nachttisch.
Langsam, das Buch wie eine Waffe haltend, geht sie aus dem
Zimmer.
INNEN - FLUR ÜBER DER TREPPE - TAG
Hanna kommt mit dem Buch in der Hand in den Flur und schaut
sich um. Sie schaut eine verschlossene Tür auf der anderen
Seite des Flurs seltsam eindringlich an. Dann blickt sie die
Treppe hinunter. Sie liegt breit und gefährlich tief da.
Hanna sammelt sich und beginnt vorsichtig die Treppe nach
unten zu steigen, wobei sie sich an der Wand abstützt.
INNEN - WOHNZIMMER - TAG
Hanna kommt immer noch mit dem Buch in der Hand ins
Wohnzimmer. Sie schaut sich suchend um. Es ist nichts zu
hören oder zu sehen. Sie legt das Buch ab und geht schnell in
die Küche.
Man hört eine Schublade auf- und wieder zugehen, dann kommt
Hanna mit einem Hammer in der Hand zurück ins Wohnzimmer.
Hanna geht mit leisen Schritten langsam auf einen Sessel zu
und schaut immer wieder unter die Möbel. Sie greift den
Hammer fester und schiebt ruckartig den Sessel zur Seite.
Darunter ist nichts. Sie bückt sich, um unter die Couch zu
schauen. Dann versucht sie, die Couch genau wie den Sessel zu
verschieben, aber sie bewegt sich kaum, sie ist zu schwer.
Hanna holt tief Luft und läßt den Hammer sinken.
INNEN - ARBEITSZIMMER - TAG
Hanna sitzt am Computer und surft. Sie klickt sich mit der
Maus durch die Seiten. Dabei schaut sie mehrmals auf und
lauscht, aber es ist nichts zu hören. Plötzlich hält sie kurz
inne, dann öffnet sie eine Seite mit einer Suchmaschine. Sie
tippt die vier Buchstaben "YUMA" in die Suchzeile ein und
drückt Return. Es wird angezeigt, daß es keine Suchergebnisse
gibt. Sie überlegt, dann schließt sie den Browser.
INNEN - KÜCHE - NACHT
Hanna und David kommen mit dem Abendessen-Geschirr in die
Küche. Er stellt seine Sachen ab und geht wieder hinaus. Sie
beginnt, die Spülmaschine einzuräumen.
DAVID STEINER (OFF)
Wollen wir am Freitag Christoph und
Yvonne zum Essen einladen?
Hanna steht über die Spülmaschine gebeugt, als plötzlich das
kleine braune Etwas unter einem Schrank hervorhuscht und über
den Boden durch die Küchentür flitzt. Sie erschrickt und
starrt ihm nach.
DAVID STEINER (OFF)
Das müssen wir wirklich- mal wieder
David erscheint in der Tür, in der Hand mehrere Flaschen. Er
unterbricht sich und schaut sie verwundert an.
DAVID STEINER
Was ist los?
Hanna richtet sich auf und schaut ihn an.
HANNA STEINER
Ich hab's wieder gesehen.
Das Tier.
DAVID STEINER
Was?
HANNA STEINER
Ich hab Dir das nicht erzählt.
(wie ein Geständnis)
Ich glaub, ich hab das Ding - das Ding,
das im Vogelhaus war - heut morgen im
Schlafzimmer oben gesehen. Und jetzt hab
ich's wieder gesehen. Gerade eben.
David stellt die Flaschen ab.
DAVID STEINER
In dem Vogelhaus war nichts.
HANNA STEINER
Als Du nachgeschaut hast, nicht.
Aber das Tier ist blitzschnell.
David schaut sie besorgt an, dann folgt er ihrem Blick in
Richtung Küchentür.
DAVID STEINER
Du hast es gerade eben gesehen?
(schaut durch die Tür)
Da ist aber nix.
HANNA STEINER
Und im Wohnzimmer?
David seufzt und verschwindet durch die Tür. Hanna schaut ihm
nach, bis er wieder kommt. Er hat ein Lächeln auf den Lippen.
DAVID STEINER
(leicht spöttisch)
Tut mir leid. - Es sei denn, es war eine
Maus. Vielleicht haben wir Mäuse.
HANNA STEINER
Aber es ist viel größer. Und es ist
braun. Mäuse sind grau.
DAVID STEINER
Es wird Dich schon nicht angreifen, es
läuft ja davon.
(nach einer Pause)
Wenn es sein muß, können wir einen
Kammerjäger holen.
HANNA STEINER
(schnell)
Ja.
DAVID STEINER
Wie groß war es denn?
Hanna hält ihre Hände etwa fünfzehn Zentimeter auseinander.
HANNA STEINER
So.
DAVID STEINER
Vielleicht ist es ein Marder.
HANNA STEINER
Aber es ist schneller. Und es hat blaue
Augen. Vorhin ist es kurz stehengeblieben
und hat mich genau angeschaut.
David schaut sie zweifelnd an. Hanna zeigt auf eine Stelle.
HANNA STEINER
(steigert sich rein)
Wirklich. Genau da ist es stehengeblieben
und hat mich angeschaut.
David legt ihr eine Hand auf den Arm.
DAVID STEINER
(beruhigend)
Ach komm.
HANNA STEINER
(noch heftig)
Ich kann Dir gar nicht sagen, wie böse es
aussieht.
David nimmt seine Hand zurück. Sie stehen still da.
HANNA STEINER
(plötzlich)
Gibt es ein Tier, das Yuma heißt?
DAVID STEINER
Yuma? - Hab ich noch nie gehört. Warum?
HANNA STEINER
Das ist mir plötzlich eingefallen.
Vielleicht hab ich den Namen irgendwo
gelesen.
DAVID STEINER
Yuma? - Das gibt's nicht.
Also, komm.
(beugt sich zur Spülmaschine)
Das mußt Du Dir ausgedacht haben.
Wahrscheinlich ist es aus Harry Potter.
David räumt weiter die Spülmaschine ein. Hanna steht neben
ihm und schaut ihn an.
INNEN - SCHLAFZIMMER - NACHT
Hanna liegt mit einem Buch im Bett, sie liest tatsächlich
Harry Potter. David kommt noch angezogen herein. Sie schaut
kurz auf, dann bemerkt sie eine Bewegung im Raum. Das Yuma
flitzt unter dem Bett hervor, an David vorbei und aus dem
Raum. Er sieht es nun auch und blickt erschrocken hinterher.
HANNA STEINER
Jetzt hast Du's auch gesehen.
David wirft ihr einen ausdruckslosen Blick zu und geht aus
dem Zimmer. Sie hört, wie er schnell die Treppe nach unten
geht und im Wohnzimmer Möbel hin und her schiebt. Hanna legt
ihr Buch zur Seite und lauscht nach unten. Dann setzt sie
sich auf und will gerade aufstehen, als David wieder ins
Zimmer kommt. Sie schaut ihn erwartungsvoll an. Er läßt sich
Zeit, bevor er etwas sagt.
DAVID STEINER
Ja, ich hab's gesehen.
David zieht Hose und Socken aus. Hanna lehnt sich wieder
zurück ins Bett.
HANNA STEINER
Hast Du's erkennen können? Es ist doch
direkt an Dir vorbeigerannt.
DAVID STEINER
Es war zu schnell.
(anklagend)
Du hast es ja auch nicht erkannt!
Sie schweigen sich an. David überlegt, dann kniet er sich hin
und schaut unter das Bett.
DAVID STEINER
Also, wenn wir's noch mal sehen-
(plötzlich verärgert)
Wenn wir's überhaupt gesehen haben.
HANNA STEINER
Was? - Du hast es doch gesehen!
DAVID STEINER
(heftig)
Ich glaube, daß ich's gesehen hab.
David steht wieder auf.
DAVID STEINER
Ach, was weiß ich. Deine Beschreibung war
ja auch ganz schön überzeugend.
Hanna schaut ihn beleidigt an.
DAVID STEINER
Wenn wir es noch mal sehen, leihen wir
uns eine Katze aus. Die wird es schon
fangen.
HANNA STEINER
Aber nicht Minka. Die Friederichs will
ich lieber nicht fragen.
(nach einer Pause)
Oder wir holen doch einen Kammerjäger.
DAVID STEINER
Ha. Und wonach soll er suchen?
HANNA STEINER
Nach dem Tier, das wir gesehen haben.
Hanna schüttelt wütend den Kopf, legt sich flach hin und
dreht sich von David weg. Er blickt sie nachdenklich an.
DAVID STEINER
(versöhnlich)
Versuchen wir's mal mit einer Katze.
Ich weiß auch schon, welche. Ein Kollege
von mir hat eine. Als seine Nachbarn
umgezogen sind, haben sie die übernommen.
Aber seine Frau mag keine Katzen.
Hanna dreht sich wieder zu ihm. Er hat sein Hemd ausgezogen
und steht nun nur in Shorts da.
HANNA STEINER
Ich mag Katzen auch nicht besonders. Wir
wollen uns doch keine Katze anschaffen.
DAVID STEINER
Müssen wir ja nicht. Aber die können wir
bestimmt ausleihen.
David setzt sich aufs Bett und zieht sein Schlaf-T-Shirt an.
Sie beobachtet ihn dabei, mustert seinen nackten Körper, und
er bemerkt ihren Blick.
DAVID STEINER
Laß uns schlafen. Ich bin todmüde.
INNEN - WOHNZIMMER - ABEND
Hanna sitzt auf der Couch und wartet, sie knabbert an einem
Fingernagel. Draußen wird es schon dunkel. Schließlich hört
man das Auto vorfahren. Wieder schlägt eine Tür, der
Schlüssel wird im Schloß gedreht. David kommt herein. Er
trägt einen Transportkorb und wirkt irgendwie fröhlich.
DAVID STEINER
(ruft)
Hallo, wir sind da.
David kommt ins Wohnzimmer und stellt den Korb auf den Boden.
Stolz schaut er Hanna an und öffnet die Tür. Eine Katze
schaut heraus.
DAVID STEINER
Das ist Lucky.
HANNA STEINER
(skeptisch)
Hallo.
David wirft ihr einen Blick zu. Er nimmt die Katze auf den
Arm und hält sie - fast wie ein Baby.
DAVID STEINER
Haben wir ein bißchen Milch? Oder besser
noch Sahne?
Hanna reagiert nicht. Nach einer Weile schaut David auf.
SCHNITT AUF
Die Katze sitzt in einem kleinen Lager aus einer Kiste, die
mit Handtüchern ausgelegt ist, und schleckt zufrieden Milch.
DAVID STEINER
(zur Katze)
Na, das schmeckt Dir, was? Jaaa.
Jetzt bleibst Du ein paar Tage hier und
fängst das böse Yuma.
(zu Hanna)
Am liebsten mag sie Thunfisch aus der
Dose. Und sie haben gesagt, wenn wir
möchten, können wir sie gerne auch
behalten. Wir sollen es uns überlegen.
Hanna schaut ihn skeptisch an.
HANNA STEINER
Ist die nicht zu klein, um was zu
fangen?
DAVID STEINER
Ach komm.
David schaut liebevoll auf die Katze. Hanna beobachtet ihn
unsicher.
AUSSEN - HINTER DEM HAUS - NACHT
Der Garten liegt still da. In einem Zimmer im ersten Stock
geht das Licht aus. Das Vogelhaus steht da und schwingt
leicht im Wind, der über den Pflock streicht.
INNEN - FLUR ÜBER DER TREPPE - NACHT
Der Flur liegt still da. Von unten hört man leise ein
Geräusch. Es klingt wie das Klagen des Yumas, könnte aber
diesmal wirklich ein Baby sein, das leise schreit.
Wir bewegen uns langsam auf die Treppe zu, die sich unter uns
bedrohlich nähert und dabei so wegkippt, daß sie immer tiefer
und gefährlicher wirkt. Währenddessen wird das Klagegeräusch
immer lauter und lauter, bis es schließlich zu einem
richtigen Schrei wird.
Plötzlich geht das Licht im Flur an, und der Schrei erstickt.
DAVID STEINER (OFF)
Hanna?
Nun sehen wir, daß Hanna im Nachthemd voller Tränen im
Gesicht an der Treppe hockt und gefährlich nah an der
obersten Stufe hin und her kippelt. David tritt erschrocken
zu ihr und zieht sie zurück. Sie klammert sich an ihn.
DAVID STEINER
(etwas zu heftig)
Was machst Du denn?
Hanna schaut ihn aus verheulten Augen an.
HANNA STEINER
(flüstert)
David. Oh David.
David schaut sie verzweifelt an. Dann zieht er sie hoch.
AUSSEN - HINTER DEM HAUS - NACHT
Der Garten liegt still da. In einem Zimmer im ersten Stock
geht das Licht aus. Das Vogelhaus steht da und schwingt
leicht im Wind, der über den Pflock streicht.
INNEN - KÜCHE - TAG
Hanna steht in der Küche und bereitet ein größeres Abendessen
vor. Auf dem Tisch steht das "gute" Geschirr, Teller, Töpfe
und verschiedene Gläser. Sie schaut auf, als die Katze in der
Tür erscheint. Sie scheinen sich anzublicken. Als Hanna auf
sie zugeht, verschwindet die Katze wieder. Hanna geht ihr
hinterher.
INNEN - WOHNZIMMER - TAG
Hanna kommt ins Wohnzimmer. Die Katze streicht um die Möbel.
Hanna beobachtet sie.
HANNA STEINER
Du sollst was fangen.
Hanna geht zur Katze, hebt sie hoch und trägt sie zur Couch.
Sie setzt sie wieder ab, so daß die Katze unter die Couch
schauen kann. Die Katze sträubt sich leicht, Hanna läßt sie
los und die Katze läuft davon. Hanna seufzt und schaut sie
zweifelnd an.
INNEN - KÜCHE - TAG
Hanna sitzt am Tisch und putzt mit mechanischen Bewegungen
Silberbesteck. Sie wirkt noch blasser als sonst. Das geputzte
Besteck legt sie in einen Besteckkorb. Plötzlich flitzt das
Yuma auf dem Boden vorbei, durch die Tür ins Wohnzimmer.
Hanna erstarrt. Dann steht sie auf und geht aus der Küche.
INNEN - WOHNZIMMER - TAG
Hanna kommt vorsichtig ins Wohnzimmer und schaut sich um. Die
Katze liegt auf der Couch und schläft. Von dem Yuma ist
nichts zu sehen. Hanna starrt die Katze an.
INNEN - KÜCHE - TAG
Hanna kommt aufgewühlt herein, setzt sich an den Tisch und
greift nach dem Silberputztuch. Dabei stößt sie an den
Besteckkorb, der krachend auf den Boden fällt. Sie sitzt
verzweifelt da.
INNEN - FLUR UNTERHALB DER TREPPE - ABEND
Hanna sitzt regungslos ganz oben auf der Treppe und schaut
nach unten ins Leere. Man hört das Auto ankommen. Die Tür
schlägt zu, dann kommt David ins Haus. Er entdeckt Hanna.
DAVID STEINER
Hallo.
David schaut auf seine Uhr. Hanna blickt langsam zu ihm.
DAVID STEINER
Christoph und Yvonne kommen gleich.
Hanna steht wie aus einer Trance erwachend auf.
HANNA STEINER
Es ist schon alles fertig.
Hanna steigt die Treppe herunter, wobei sie sich wieder
unbewußt an der Wand abstützt, und geht an David vorbei, in
Richtung Küche. Er blickt hinter ihr her, dann die Treppe
hinauf.
INNEN - WOHNZIMMER - NACHT
Hanna und David sitzen still im Wohnzimmer und warten. Er am
festlich gedeckten Tisch, sie auf der Couch. Sie haben sich
schick angezogen. Nach einer Weile hört man draußen
Geräusche, dann klingelt es an der Tür. David steht auf.
DAVID STEINER
Da sind sie.
Hanna lächelt ihn kurz an und schaut ihm nach, wie er zur
Haustür geht und aufmacht. Man hört die Begrüßung.
DAVID STEINER (OFF)
Hallo. Kommt rein.
CHRISTOPH WILLMANN (OFF)
Hallo David.
YVONNE WILLMANN (OFF)
Hallo.
DAVID STEINER (OFF)
Na, wie geht's. Legt doch ab.
YVONNE WILLMANN (OFF)
Danke gut. Und Euch?
(nach einer Pause)
Wie geht's Hanna? Ist sie- wieder etwas
DAVID STEINER (OFF)
(unterbricht sie)
Gut. Ihr geht's gut. Sie ist im
Wohnzimmer.
Hanna sammelt sich, setzt ein Lächeln auf und steht auf.
HANNA STEINER
(ruft)
Ich bin hier. Kommt doch rein.
David kommt mit CHRISTOPH und YVONNE WILLMANN herein. Sie
sind im gleichen Alter wie David und Hanna. Hanna geht auf
sie zu. Sie gibt Yvonne die Hand.
HANNA STEINER
Schön Euch zu sehen.
YVONNE WILLMANN
Hallo Hanna. Gut siehst Du aus. Wie
geht's Dir?
Christoph begrüßt Hanna und hält ihr eine Flasche Wein hin.
CHRISTOPH WILLMANN
Die haben wir mitgebracht.
DAVID STEINER
Soll ich die nehmen?
HANNA STEINER
Nein, laß nur. Ich mach schon.
Hanna nimmt die Flasche Wein und geht damit in die Küche.
HANNA STEINER
(im Weggehen)
Setzt Euch doch. Das Essen ist gleich
soweit.
Yvonne blickt hinter Hanna her, dann etwas skeptisch zu
David. Er schaut noch hinter Hanna her, dann zu Christoph und
Yvonne, als wolle er etwas sagen. Dann lächelt er nur und
zeigt auf den Tisch und geht vor.
DAVID STEINER
Bitte.
Yvonne wirft Christoph einen vielsagenden Blick zu, während
sie hinter David hergehen und sich an den Tisch setzen.
INNEN - WOHNZIMMER - NACHT
Die vier sitzen am Tisch, fertig mit dem Hauptgericht. Die
Atmosphäre ist nicht so wirklich entspannt, auch wenn sich
keiner etwas anmerken lassen will. David will Yvonne etwas
Wein einschenken.
YVONNE WILLMANN
(lehnt lächelnd ab)
Danke.
David schenkt Christoph ein, dann sich selbst. Christoph
tupft sich den Mund mit der Serviette ab.
CHRISTOPH WILLMANN
Habt Ihr Lust morgen mit uns rauszufahren?
Wir wollen wieder eine Tour mit dem Boot
machen. Es ist zwar kalt, aber morgen soll
es schön werden.
David wartet, ob Hanna etwas sagt, doch sie beginnt die
Teller zusammenzuräumen.
HANNA STEINER
(zu Yvonne)
Hat's Dir geschmeckt?
YVONNE WILLMANN
Danke. Es war wieder sehr gut.
DAVID STEINER
(mit Blick auf Hanna)
Eigentlich gerne, aber wir haben gerade
eine Katze hier. Ich finde, wir sollten
sie nicht den ganzen Tag allein lassen.
YVONNE WILLMANN
(zu Hanna)
Ich dachte, Du magst keine Haustiere?
HANNA STEINER
Sie ist nur ausgeliehen. Ich... glaube,
wir haben Mäuse hier. Und jetzt soll sie
herausfinden, ob es stimmt.
Hanna lächelt in die Runde, steht auf und räumt zusammen.
Yvonne will auch aufstehen.
YVONNE WILLMANN
Ich helf Dir.
HANNA STEINER
Bitte bleib sitzen. Ich mach das schnell.
Ich muß sowieso den Nachtisch machen.
Hanna nimmt die Teller und das Besteck auf einen Stapel und
verschwindet in die Küche. Sie zieht die Tür hinter sich zu,
so daß sie angelehnt aber nicht ganz geschlossen ist. Die
drei schauen ihr hinterher.
Yvonne schaut kurz zu Christoph, dann zu David.
YVONNE WILLMANN
(gedämpft)
Ihr habt immer noch nicht darüber
gesprochen.
David blickt sie leer an. Yvonne schüttelt den Kopf.
YVONNE WILLMANN
Das geht doch so nicht, David.
CHRISTOPH WILLMANN
Yvonne.
YVONNE WILLMANN
Was?! Die beiden gehen daran kaputt!
CHRISTOPH WILLMANN
Es ist doch gar nicht- sicher, ob es
YVONNE WILLMANN
(unterbricht ihn heftig)
Wenn ich im vierten Monat schwanger bin,
dann passe ich auf, daß ich nicht die
Treppe herunterfalle.
Stille.
DAVID STEINER
Es war ein Unfall.
YVONNE WILLMANN
David, Du hast Dich so auf das Kind
gefreut!
David kämpft mit sich. Dann schaut er Yvonne an.
DAVID STEINER
Jetzt ist es eben so.
Yvonne will etwas antworten, als die Küchentür aufgeht und
Hanna mit einem Tablett mit Nachtischschälchen hereinkommt.
Sie tritt an den Tisch und verteilt den Nachtisch.
HANNA STEINER
Hier. Bitteschön.
Hanna wirft David einen eindeutigen Blick zu.
HANNA STEINER
Guten Appetit.
Die vier fangen an zu essen. In der Stille hört man nur das
kalte Klackern der Löffel in den Glasschälchen.
INNEN - FLUR UNTERHALB DER TREPPE - NACHT
David steht an der Haustür und blickt zu Christoph und
Yvonne, die draußen zu ihrem Auto laufen und einsteigen. Er
winkt noch einmal und Yvonne blickt eindringlich zu ihm.
DAVID STEINER
(ruft)
Tschüß. Bis bald.
David schließt langsam die Tür. Man hört das Auto losfahren.
Er sammelt sich und geht ins Wohnzimmer.
INNEN - WOHNZIMMER - NACHT
David kommt herein. Hanna steht am Tisch und zieht gerade die
Tischdecke ab. Er betrachtet sie. Wieder scheint sie seinem
Blick auszuweichen.
DAVID STEINER
Kann ich Dir noch was helfen?
HANNA STEINER
Ich hab schon alles gemacht.
David tritt an den Tisch, hält sich an einem Stuhlrücken
fest und blickt sie an. Man spürt, daß er mit sich kämpft,
sie auf den Unfall anzusprechen. Er sammelt sich. Doch dann
sagt Hanna etwas, als würde sie gar nicht auf ihn achten.
HANNA STEINER
Ich hab das Yuma wieder gesehen.
(nach einer Pause)
Es ist von der Küche ins Wohnzimmer
gerannt. Und die Katze hat sich überhaupt
nicht darum gekümmert.
David starrt sie an. Zuerst wirkt es, als wolle er wütend
werden, dann fällt er in seine alte Reserviertheit zurück.
DAVID STEINER
Gib ihr noch ein wenig Zeit.
David geht aus dem Wohnzimmer nach oben. Hanna schaut ihm
nach. Dann seufzt sie und setzt sich auf einen Stuhl.
INNEN - SCHLAFZIMMER - NACHT
Hanna und David liegen im Bett und schlafen. Durch das
Fenster scheint schwach das Mondlicht herein. Hanna liegt auf
dem Rücken, David hat sich im Schlaf auf die Seite gedreht,
zu Hanna. Plötzlich hört man leise das Klagegeräusch des
Yumas. Nach und nach wacht Hanna davon auf. Sie setzt sich
halb auf, blinzelt in das dunkle Zimmer und lauscht. Eine
Weile ist es still. Dann hört man Geräusch wieder. Hanna
bekommt Angst und setzt sich vorsichtig auf.
Hanna schaut auf David, der friedlich schlafend da liegt. Sie
legt ihm die Hand auf die Schulter, als wolle sie ihn wecken.
Er bewegt sich im Schlaf und dreht sich dann von ihr weg. Sie
blickt ihn hilflos an, dann wendet sie sich wieder ab und
schaut verzweifelt in den dunklen Raum und lauscht auf das
Geräusch.
INNEN - FLUR ÜBER DER TREPPE - NACHT
Der Flur liegt im Mondlicht leer da. Die geschlossene Tür,
die Hanna so seltsam eindringlich betrachtet hat, ragt im
Halbdunkel bedrohlich auf. Dahinter hört man leise das
Klagegeräusch des Yumas.
INNEN - FLUR UNTERHALB DER TREPPE - TAG
Hanna kommt am nächsten Morgen die Treppe herunter. Plötzlich
bleibt sie stehen und starrt auf den Boden. Neben der
untersten Stufe liegt das Yuma tot auf dem Boden. Es ist an
Kopf, Bauch und Schwanz verstümmelt. Der Schwanz ist bis auf
einen kurzen Stummel abgebissen, der Kopf fehlt ganz. Das
Fell glänzt braun, an den blutverschmierten Stellen fast
schwarz. Hanna schaut es an, dann dreht sie sich um und geht
schnell die Treppe wieder hinauf.
INNEN - SCHLAFZIMMER - TAG
Hanna kommt leicht außer Atem ins Schlafzimmer. David liegt
mit offenen Augen da und schaut an die Decke.
HANNA STEINER
(beim Hereinkommen)
David!
DAVID STEINER
Was ist denn?
HANNA STEINER
Die Katze hat es erwischt. Es liegt
unten. Komm mit runter. Ich will es
lieber gar nicht so genau sehen.
DAVID STEINER
Natürlich.
David steigt aus dem Bett und geht aus dem Zimmer. Sie folgt
ihm vorsichtig.
INNEN - FLUR UNTERHALB DER TREPPE - TAG
David und Hanna kommen die Treppe herunter. Er beugt sich
nach unten und betrachtet das Yuma.
DAVID STEINER
Hm. Ganz schön groß.
HANNA STEINER
Was ist es?
DAVID STEINER
Keine Ahnung.
Ich hol die Kehrschaufel.
David geht in Richtung Küche. Hanna steht unbehaglich neben
dem toten Tierkadaver.
SCHNITT AUF
Mit der Spitze einer zusammengerollten Zeitung schiebt David
das Yuma auf die Kehrschaufel. Man kann den aufgerissenen
Bauch, die durchbissene Luftröhre und die bloßliegenden
Knochen erkennen. An den Füßen sind kleine Klauen.
Hanna steht mit einem Lappen und einem Reiniger in einer
Sprühdose daneben.
HANNA STEINER
Ist das ein Marder?
DAVID STEINER
Ich weiß nicht. Ich weiß es wirklich
nicht. Ich werf es einfach in den Müll.
David geht mit der Kehrschaufel und der Zeitung in der Hand
davon. Hanna kniet sich hin, sprüht etwas Reiniger auf Boden
und wischt mit dem Lappen auf.
HANNA STEINER
Wo ist eigentlich die Katze?
Hanna dreht sich zu David, doch er ist nicht mehr zu sehen.
Sie seufzt und putzt weiter, obwohl eigentlich überhaupt kein
Blut auf dem Boden zu sehen ist.
INNEN - WOHNZIMMER - TAG
Hanna und David sitzen beim Frühstück am Tisch im Wohnzimmer.
Wieder reden sie nicht viel. Die Terrassentür steht offen, um
etwas frische Luft hereinzulassen. Hanna setzt mehrmals an,
bis David merkt, daß sie etwas sagen will, und sie anschaut.
HANNA STEINER
Ich frag mich, wo der Kopf ist.
Glaubst Du, die Katze hat ihn gefressen?
(nach einer Pause)
Nicht, daß er irgendwo im Haus liegt.
Anstatt zu antworten nimmt David einen Schluck aus seiner
Kaffeetasse. Hanna schaut ihn an. Plötzlich hört man von der
Tür ein leises Miauen. Es ist Lucky, die in der Tür steht.
DAVID STEINER
(freut sich)
Hey.
David streckt den Arm aus und die Katze kommt zu ihm. Er
streichelt sie, hebt sie hoch und hält sie im Arm. Sie miaut
wieder und räkelt sich in seinem Arm.
DAVID STEINER
Gute Lucky. Gute Lucky.
David lächelt Hanna an. Sie versucht, das Lächeln zu erwidern
und trinkt einen Schluck aus ihrer Tasse.
INNEN - WOHNZIMMER/VOR DEM HAUS - TAG
Durch das Fenster sieht man Hanna mit dem Auto ankommen. Sie
macht den Motor aus und bleibt noch eine Weile wie erstarrt
sitzen, dann gibt sie sich einen Ruck und steigt aus.
Aus dem Kofferraum holt sie mehrere Supermarkt-Einkaufstüten
und geht damit zur Haustür.
INNEN - FLUR UNTERHALB DER TREPPE - TAG
Hanna kommt durch die Haustür herein, stellt die Taschen ab
und schaut sich um.
HANNA STEINER
(ruft)
David?
Hanna blickt kurz ins Wohnzimmer, dann geht sie nach oben.
INNEN - FLUR ÜBER DER TREPPE - TAG
Hanna kommt noch in der Jacke die Treppe herauf. Sie zögert,
als sie sieht, daß die Tür, die sie so seltsam eindringlich
angeschaut hat, offensteht. Langsam geht sie darauf zu.
INNEN - EHEMALIGES KINDERZIMMER - TAG
Hanna kommt noch in der Jacke in das Zimmer. Es ist ein fast
leerer Raum, der wohl das Kinderzimmer hätte werden sollen.
Nun hat er sich zu einer Art Abstellraum entwickelt. Von der
Decke hängt ein buntes Mobile als letztes Überbleibsel.
David steht am Fenster und blickt auf den kahlen Garten.
HANNA STEINER
Was machst Du denn hier?
DAVID STEINER
(ohne sich umzudrehen)
Ich wollt eigentlich das Laub auf dem
Rasen auflesen. Aber dann war ich so
müde. Tut mir leid.
HANNA STEINER
Du mußt Dich doch nicht entschuldigen.
Wenn Du müde bist, leg Dich doch ein
bißchen schlafen.
David reagiert nicht, und Hanna schaut sich unbehaglich im
Raum um. Das Mobile scheint sie traurig anzuschreien.
DAVID STEINER
Bist du froh, daß es weg ist?
Hanna starrt ihn an. Er dreht sich zu ihr. Sie weiß nicht,
was sie sagen soll.
Stille. Sie schauen sich an.
DAVID STEINER
Das Yuma.
Hanna stößt die Luft aus und lacht gezwungen.
HANNA STEINER
Ja. Natürlich.
DAVID STEINER
(nach einer Pause)
Dann können wir ja jetzt die Katze
zurückgeben.
David starrt sie weiter an. Hanna weicht seinem Blick aus.
AUSSEN - VOR DEM HAUS - ABEND
David läuft mit dem Katzenkorb in der Hand von der Haustür
zum Auto. Hanna steht in der Tür und blickt ihm nach. Er
wirkt sehr bedrückt. Vorsichtig stellt er den Korb in den
Kofferraum, zögert einmal, als Lucky traurig miaut, und
steigt dann entschlossen ins Auto. Er fährt los. Hanna schaut
ihm eine Weile nach, dann schließt sie die Haustür.
SCHWARZBLENDE
AUSSEN - HINTER DEM HAUS - TAG
David steht in Freizeit-Montur im Garten und fegt das Laub
auf dem Rasen zusammen. Am Rand der Terrasse steht das
Vogelhaus und funkelt in der Sonne. Als David einen Eimer
voll Laub hat, legt er den Rechen ab und nimmt den Eimer. Er
geht damit zur Terrasse, als er plötzlich innehält. Er schaut
auf das Vogelhaus. Durch das Flugloch sieht er undeutlich das
Gesicht des Yumas, das grimmig herausstarrt.
David stellt den Eimer ab und will auf das Vogelhaus zugehen,
als er Hanna in der Terrassentür bemerkt. Sie starrt ihn an.
HANNA STEINER
Da ist es wieder.
David schaut Hanna ausdruckslos an und geht auf das Vogelhaus
zu, da gibt das Tier wieder das kurze bedrohliche Klage-
geräusch von sich. David hält inne und blickt zu Hanna, die
unbehaglich dasteht.
Dann nimmt David sich zusammen und geht los, als plötzlich
Lucky, die Katze, aus dem Gestrüpp neben dem Pflock mit dem
Vogelhaus angelaufen kommt. David bleibt überrascht stehen,
geht in die Knie und streichelt Lucky, die zielstrebig zu ihm
kommt.
DAVID STEINER
Sie ist wieder da.
Hanna steht in der Terrassentür und starrt die beiden an.
DAVID STEINER
Sie hat den ganzen Weg hierher gefunden.
Ganz alleine.
David dreht sich zu Hanna und lächelt sie strahlend an.
DAVID STEINER
Ist das nicht schön?
Hanna steht da und muß die Zähne zusammenbeißen, um nicht
laut loszuschreien.
F I N E